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31.12.2018  |  Jahresfazit 2018

Wackelkontakt
[von Bernd Hegemann]
Ich habe lange überlegt, etwas über ein Thema zu schreiben, was mich schon längere Zeit beschäftigt. Jetzt habe ich mich entschieden und möchte es in zwei Teile zu packen. Einmal in dieses Jahresfazit und einmal in das Jahresfazit 2019. Und zwar geht es um das Thema "Herzrythmusstörungen".

Herzrythmusstörungen hatte ich im Prinzip schon in meinen jungen Erwachsenenjahren. Nur habe ich sie als solche nicht wirklich wahrgenommen. Das hing sicherlich auch damit zusammen, dass sie lange Zeit sehr selten und bei spezieller körperlicher Belastung auftraten. Damals, als es noch keine Pulsmesser gab, habe ich einfach ein leichtes Stolpern in meiner Brust wahrgenommen, was aber schnell wieder weggegangen ist.

Seitdem ich diverse Pulsmesser im Einsatz hatte, konnte ich das Ganze auch beobachten, aber immer noch nicht einordnen. Sprich ich sah auf der Uhr, dass gelegentlich der Puls über die 200er-Marke sprang, brachte es aber nicht mit Herzrythmusstörungen in Verbindung, sondern dachte, dass es wohl eine neue Grenze beim Maximalpuls sein müsse. Es hat mich nicht stutzig gemacht, dass ein solcher Pulssprung mit einhergehendem Unwohlsein und Leistungsabfall damit zusammenhängen könnte.

Mit der Nase draufgestoßen wurde ich erst 2002 bei meiner ersten Leistungsdiagnostik. Dabei wurde 3 Minuten auf dem Laufband gelaufen, dann Blut im Ohrläppchen abgenommen, um danach bei gesteigertem Tempo weitere 3 Minuten zu laufen u.s.w. Vor dem letzten Set mit 18 km/h fühlte ich mich noch einigermaßen gut und war zuversichtlich, die 3 Minuten komplett machen zu können. Aber nach etwa der Hälfte der Zeit stoppte der betreuende Arzt den Test. In der anschließenden Besprechung der Ergebnisse sagte er, er hätte auf dem EKG unnormale Reaktionen sehen können, die unbedingt und sehr zeitnah im Krankenhaus abgeklärt werden sollten.

Huch, das hatte mich ganz schön erschreckt. Er sagte irgendwas von möglichem Kammerflimmern, gefolgt von Ohnmacht und dem daraus resultierenden Tod. Daher ging ich zügig ins AK St. Georg und ließ mich dort auf den Kopf stellen. Zuerst eine Koronarangiografie, die aber keine abnormen Veränderungen der Herzkranzgefäße oder sonst am Herzen zeigte. Am nächsten Tag wurde eine elektrophysiologische Untersuchung (EPU) durchgeführt. Man sagte mir, dass man versucht hatte, über einen Herzkatheter mittels Stromimpulsen das Herz aus dem Takt zu bringen, um die Stelle zu finden, die die Herzrythmusstörungen auslöst. Diese wäre dann im selben Atemzug verödet worden.

Aber leider blieb die Untersuchung ohne Ergebnis. Vielleicht war die Technik damals noch nicht so weit. Ich vermute eher, dass sie nicht an der richtigen Stelle geschaut haben, weil sie zu sehr auf die Herzkammern fokussiert waren. Aber das wusste ich damals alles nicht. Jedenfalls wurde ich mit den Worten entlassen, Extremsport zu vermeiden. Hat mir letztendlich nicht wirklich weitergeholfen. Jedenfalls versuchte ich es die ersten Monate nach der Untersuchung im Schongang, danach stütze ich mich auf die Aussage meines Kardiologen: wenn ich Herzstolpern verspüre, es mir aber nicht schwindelig oder schlecht wird und nach einer kurzen Pause alles wieder ok ist, dann kann ich meinen Sport erstmal so weitermachen wie bisher.

Daran hatte ich mich all die Jahre auch gehalten. Wobei es echt lästig war, wenn man eine kurze Strecke schnell hinter sich bringen will, eine Gehpause einzulegen, wenn es mal wieder dran ist. Ich denke, dass das einer der Hauptgründe war, warum ich mich etwa ab 2016 vermehrt auf längeren Strecken herumtrieb. Zum einen vertrug mein Bewegungsapparat das langsame Trainingstempo ziemlich gut, zum anderen traten hier die blöden Störungen nicht auf, weil die Belastung insgesamt so moderat war.

In 2018 angekommen war ich so weit, dass ich relativ locker einen Marathon bei Schnee im Februar laufen konnte, ohne dass es irgendwelche orthopädischen Ausfallerscheinungen nach sich zog. Dahingehend war ich zuversichtlich, im Frühsommer vielleicht meinen ersten Ultramarathon bewältigen zu können.

Während dieser Zeit, vielleicht schon etwas vorher stellten sich aber andere Symptome bei mir ein. Ich merkte, dass ich mich ab und zu komisch fühlte und wenn ich meinen Puls am Handgelenk maß, zwischen den normalen Schlägen ein bis zwei zusätzliche Schläge spürbar waren. Das trat gerne nach dem Essen oder in stressigen Situationen auf, ging aber in der Regel nach ein paar Stunden wieder weg. Ich nannte es "mein Tickern" und hatte die Hoffnung, dass es von alleine wieder wegginge.

Doch leider ging dieses "Tickern" nicht wieder weg, sondern trat häufiger auf. Selbst bei meinem privat gelaufenen Mini-Ultra von Heimfeld nach Fischbek über 44 Kilometer mit satten 660 Höhenmetern habe ich es in der Pause beim Auftanken gespürt. Aber da es mich in meiner Leistungsfähigkeit nicht beeinträchtigte, wurde es erstmal hinten angestellt.

Die Reißleine habe ich dann aber doch gezogen. In Schneverdingen wollte ich den oben angedeuteten Heide-Ultra-Trail über 52 Kilometer absolvieren. Allerdings trat das "Tickern" aufgrund der Aufregung sehr früh auf und ich merkte an den leichten Steigungen in der Heide, dass meine Leistungsfähigkeit deutlich begrenzt war. Aus Sorge um meine Gesundheit habe ich den Lauf nach 15 Kilometern abgebrochen und bin ein wenig enttäuscht nach Hause gefahren.

Danach ging alles recht schnell. Irgendwann hatte ich auf der Arbeit wieder mein "Tickern" und entschloss mich, zu meinem Hausarzt in der Speicherstadt zu gehen, um ein EKG schreiben zu lassen. Und ich muss sagen, dass es total blöd von mir war, so lange damit zu warten. Ich hätte es schon Monate vorher aufzeichnen lassen können, aber typisch für mich, es erst Mal zu vertagen. Einmal aufgezeichnet wurde dann nämlich vieles klarer. Mein Hausarzt vermutete aufgrund der Kurve Vorhofflattern, was aber nicht ganz korrekt war. Im Albertinen-Krankenhaus in Schnelsen schaute eine Spezialistin drauf und meinte, dass es höchstwahrscheinlich Vorhofflimmern wäre.

Ich kann leider nicht sagen, was letztendlich der Auslöser war. Die Möglichkeit besteht, dass es am Ultratraining lag, es werden aber viele weitere Ursachen angeführt. Daher habe ich aufgehört nach den Gründen zu forschen. Tatsache war, dass sich am Ansatz der Lungenvenen zum Herzen elektrisch leitende Zellen gebildet hatten, die dort nicht hingehören und die nun lustig funkend den linken Vorhof aus dem Takt brachten. Das war im Prinzip das, was ich als "Tickern" wahrgenommen hatte. Laut der Ärzte ein positiver Umstand, denn viele Patienten merken davon nichts und bekommen erst die Diagnose, wenn es schon zu spät ist.

Positiv war ebenfalls die Aussage, dass man an Vorhofflimmern in der Regel nicht stirbt. Primär ist es lästig und senkt die Leistungsfähigkeit des Herzens um 20-30%. Fies wird es, wenn sich aufgrund des unkontrolliert zuckenden Vorhofs Blutgerinsel bilden, weil das Blut nicht mehr richtig weggepumpt wird und in Folge dessen ein Schlaganfall ausgelöst wird. Eine Option wäre gewesen, über Medikamente, sprich Beta-Blocker das "Tickern" zu unterbinden. Aber als Sportler wollte ich mich nicht mit irgendwelchen, vermutlich leistungshemmmenden Chemikalien vollstopfen.

Daher entscheid ich mich für eine erneute EPU, obwohl ich ja schon 2002 eine Enttäuschung erleben durfte. Am 3. September war es soweit. Gleich am ersten Tag gab es vormittags ein Schluckecho, um Blutgerinnsel im Herzen auszuschliessen und nachmittags die EPU. Nach dem Aufwachen fühlte ich mich, als wenn ein Lieferwagen über meinen Brustkorb gefahren wäre. Über die rechte Leiste war der Arzt mit einem Katheter bis in den linken Vorhof vorgedrungen, hat dort die "tickernde" Stelle lokalisieren und sie per Verödung deaktivieren können (in Mediziner-Sprech eine Pulmonalvenenisolation per Kryo-Technik).

Einen Tag später, nachdem die letzte Untersuchung überstanden war, konnte ich bereits wieder nach Hause und 14 Tage später, als die Leiste wieder belastbar war, schon wieder trainieren. Wobei ich es langsam angeganging. Zuerst Spazierengehen, dann leichtes Radfahren und zum Schluss wieder Laufen. Tat gut, sich wieder so bewegen zu können. Aber die Angst, dass es noch nicht ok sein könnte, schwang immer noch mit.

Exakt zwei Monate nach der OP traute ich mich wieder auf einen Wettkampf. Die Kurzstrecke auf der Horner Rennbahn sollte es sein. Der erste Kilometer klappte auch einwandfrei, aber auf dem zweiten hatte ich dann wieder Herzstolpern, was ich durch eine kurze Gehpause einfangen konnte. Das war ein bisschen enttäuschend, da ich die Hoffnung hatte, dass nach der OP die Probleme beseitigt wären. Vielleicht hing es ja auch mit der OP und den dazugehörenden Heilungsprozessen zusammen, dass noch nicht alles so funktionierte, wie erhofft.

Aber das sollte das kommende Jahr zeigen, was ich im zweiten Teil meiner "Herzensangelegenheit" zusammengefasst habe.
 
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